Unsere liebe Kollegin und Fddb-Community Managerin Julia macht nicht nur regelmäßig Sport, sondern ernährt sich auch sehr bewusst. Sie ist überzeugte Veganerin und möchte uns heute verraten, wie sich ihre Ernährungsweise mit ihrem Alltag vereinbaren lässt, was ihre Beweggründe waren, Veganerin zu werden, und welche Tipps sie für Interessierte hat.
Julia, seit wann bist du Veganerin und warst Du vorher, wie viele andere Veganer auch, Vegetarierin?
Veganerin bin ich seit 3 Jahren. Als ich 14 oder 15 Jahre alt war, habe ich angefangen, mich vegetarisch zu ernähren.

Gab es einen konkreten Auslöser, auf eine vegetarische und später auf eine vegane Ernährung umzustellen?
Der Auslöser damals war ein riesiger Haufen Grillfleisch. Ich war mit meiner Familie bei Bekannten im Sommerurlaub und natürlich musste dort auch gegrillt werden. Der Tisch im Garten war überhäuft mit Würstchen, Steaks und massig anderem Grillzeug. Dabei waren wir nur sechs Leute. Ich habe mich ernsthaft gefragt, wie viele Tierleichen da insgesamt liegen und warum ich die jetzt eigentlich essen soll. Ich mochte doch schon immer Tiere. Mich überkamen in dem Moment irgendwie Zweifel und Ekel zugleich. Als mich später diverse Tierschutzorganisationen informierten, wie es bei der Massentierhaltung eigentlich zugeht, packte mich das blanke Entsetzen. Das waren mir zu viel Leid und zu viel Qual, die ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte.
Mit der Lebensform Veganismus beschäftigte ich mich später während des Studiums in Berlin und beschloss dann 2011 ziemlich plötzlich, vegan zu leben. Diese Entscheidung fiel tatsächlich über Nacht. Für die EM in der Ukraine wurden laut Medienberichten Hunde und Katzen von der Straße u.a. weggeschossen, damit die Städte „schön“ aussähen für die Touristen. Da war es dann vorbei. Für mich gibt es keinen einzigen guten Grund, jemandem das Leben zu nehmen. Das Recht auf Leben und Freiheit haben auch nicht nur die Menschen. Tiere sind wundervolle Wesen mit genau den selben Emotionen wie Menschen. Sie sind genauso Mütter, Väter und Kinder. Sie bilden Familien, geben sich Liebe, können sich freuen, haben Angst, beschützen sich, sind auch mal bedrückt und vor allem wollen sie leben. Sie lieben die Natur und kommunizieren miteinander, genau wie Menschen. Wir sind irgendwie alle gemeinsame Wesen dieser Erde und doch zerstört die Menschheit alles, was eigentlich schön und von Substanz ist. Das ist sehr schade und deswegen entziehe ich mich diesem System nach und nach.
Wie hat sich Dein Körper und Deine Gesundheit an die neue, vegane Ernährungsweise gewöhnt? Welche positiven (und eventuell negativen) Veränderungen konntest Du feststellen?
Mein Körper hat auf die Umstellung ziemlich gut reagiert. Da ich schon immer Obst- und Gemüsefan war und unbewusst sicher vorher auch sehr oft vegan gegessen habe, konnte ich eigentlich kaum Umstellungsmerkmale feststellen. Ich hatte früher allerdings mehr Kopfschmerzen und richtige Migräne mit Aura, das habe ich jetzt nur noch bei Stress. Durch das Weglassen von Käse, Milch und anderen Produkten habe ich auch etwas Gewicht verloren. Ich bin aber überzeugt, dass es auch dicke Veganer gibt 😉 Und, obwohl ich bereits 28 bin, werde ich in Clubs oder auch mal im Supermarkt immer noch häufig nach meinem Ausweis gefragt. Meine Nachbarin dachte auch sehr lange, ich würde noch zur Schule gehen. Vegan hält meiner Ansicht nach tatsächlich fit und jung!
Gab oder gibt es Produkte, die Du manchmal vermisst?
Eigentlich nicht. Viele Leute würden Käse als Aufschnitt oder Milch vermissen. Aber Käse habe ich beispielsweise vorher auch selten gegessen und Milch ersetze ich durch pflanzliche Drinks, und das auch maximal für den Kaffee oder zum Kochen. Manchmal hab ich allerdings totale Lust auf Pizza. Veganes Fast Food in Berlin gibt’s an jeder Ecke. Und es schmeckt gut, da die veganen Käsealternativen zum Überbacken immer besser werden.
Kommst Du im Alltag manchmal an Grenzen, z.B. wenn Du in einem Restaurant oder bei Freunden essen möchtest?
In Berlin eher nicht. Da kann man in vielen Restaurants Veganes bestellen oder man fragt, ob gewisse Zutaten ersetzt bzw. weggelassen werden können. Außerdem gibt es bereits sehr viele 100%ige vegane Cafés, Restaurants, Imbisse etc. Satt werde ich immer. Auch in meiner Heimatstadt haben wir die Köche der Restaurants immer dazu gebracht, mir was Veganes zuzubereiten. Und wenn ich im Urlaub bin, sage ich einfach, dass ich eine große Platte mit gebratenem Gemüse haben möchte.
Auch alle meine Freunde wissen, dass ich Veganerin bin, daher gibt es da eigentlich kaum Grenzsituationen. Oft wird sogar extra vegan gekocht, wenn ich zu Besuch komme. Oftmals werden mir auch vegane Cafés oder Imbisse vorgeschlagen, die ich noch gar nicht kannte! Das freut mich natürlich besonders. Das zeigt mir auch, dass Freunde und Familie sehr tolerant sind oder auch offen für Neues. Ich habe bisher nie einen „Anti-Veganer“ getroffen.
Vegan sein ist übrigens auch zum Trend geworden. Die erfolgreiche Lebensweise verbreitet sich unglaublich schnell. Immer mehr Leute versuchen es mal mit dem Veganismus und bleiben dann dabei. Das ist positiv und sollte kein Trend von kurzer Dauer sein.
Überzeugter Veganismus betrifft ja nicht nur die Ernährung, sondern unter anderem auch die Körperpflege und Bekleidung. Wie handhabst du diese Lebensbereiche?
Zu Kosmetik und Pflegeprodukten musste ich etwas recherchieren. Ich las sehr viele Blogs im Netz und nach einiger Zeit hatte ich dann eine Liste zusammen, welche meiner bisherigen Produkte ich mit einer veganen Alternative ersetzen konnte, ohne an Qualität einzubüßen oder arm zu werden. Vegane Körperpflege gibt es en masse, ob in diversen Onlineshops oder in Drogerien. Die gängigen Drogerieketten zum Beispiel führen sehr hochwertige vegane Produkte. Ich muss mich da in keinem Lebensbereich einschränken. Dafür lasse ich mich in richtigen Parfümerien nicht mehr blicken. Die teuren Markenprodukte dort sind häufig unter Tierversuchen entstanden oder enthalten tierische Bestandteile. Um so etwas herauszubekommen, kann man entweder selbst im Internet recherchieren (es gibt sehr viele Seiten, die „schwarze“ Listen bereitstellen) oder sich direkt an die Hersteller wenden. Die sind es mittlerweile gewohnt, Anfragen zu veganen Produkten zu bekommen und schicken dann ihre Standardmails.
Mittlerweile gibt es auch Apps für’s Smartphone, die schnell und unkompliziert bei Pflegeprodukten und Lebensmitteln sowie Herstellern Auskunft geben und sogar Alternativprodukte anzeigen. Finde ich sehr praktisch.
Auf Leder, Wolle, Seide und andere tierische Produkte im Textilbereich habe ich als Vegetarierin schon verzichtet. Mir war das schon als Kind ein Gräuel, totes Tier an mir zu tragen. Deswegen ist es jetzt auch nicht schwer, sich die richtigen Klamotten zu suchen. Es gibt natürlich auch hier komplette Läden, die zu 100% vegane Klamotten oder Schuhe anbieten. Berlin, ick liebe dir!
Was hältst Du von veganen Convenience-Produkten, die Fleisch und andere tierische Erzeugnisse imitieren, wie vegane Bratwurst, Sprühsahne, Rühreier oder veganen Heringssalat?
Finde ich gut für Leute, die das Gefühl brauchen, in eine Wurst zu beißen, oder eben auch mal etwas Altbekanntes wie Rührei oder Heringssalat essen möchten. Ich hab solche Sachen auch schon probiert und war bisher meist positiv überrascht. Mir hat zwar nicht alles geschmeckt und täuschend echte Scampis oder Steaks finde ich eher gruselig. Aber dass man Geschmäcker nahezu komplett nachempfinden kann durch rein pflanzliche Zutaten, ist ein enormer Fortschritt. Immerhin gibt es inzwischen ganze Grillfeste nur mit veganem „Grillfleisch“. Aber Selbstgemachtes ist immer noch am besten!
Wie stehst Du zu anderen „alternativen“ Ernährungsweisen, z.B. zu Flexitariern, Frutariern und Rohköstlern? Kannst Du Dir vorstellen, Deinen Lebensmittelkonsum noch weiter einzuschränken bzw. irgendwann einmal wieder tierische Produkte zu Dir zu nehmen?
Ich kenne die Motive dieser Menschen nicht, bin aber überzeugt, dass sie sich aus gutem Grund so ernähren. Eine spezielle Ernährungsform einzugehen ist immer eine sehr persönliche Entscheidung mit individuellen Beweggründen. Bei mir steht prinzipiell nicht meine Ernährungsform oder meine Gesundheit im Vordergrund. Dass ich gesund bin, ist ein toller Nebeneffekt! Ich bin aus moralischen Gründen Veganerin.
Es ist natürlich jedem selbst überlassen, wie er oder sie sich ernährt oder lebt. Aber jemals wieder tierische Produkte zu konsumieren werde ich vermeiden. Leider kann ich nicht vorhersehen, was mir die Pflegekräfte im Altersheim in 60 Jahren alles einflößen werden, wenn ich nicht mehr mitreden kann. Hoffen wir mal das Beste.
Gibt es Lieblings-Internetseiten, die Du anderen Veganern oder Personen, die es möglicherweise werden möchten, empfehlen und ans Herz legen kannst?
Für Einsteiger zum Thema Kosmetik und Pflegeprodukte empfehle ich den Blog von Pseudoerbse www.kosmetik-vegan.de. Die Bloggerin testet viele vegane Produkte auf Tauglichkeit, recherchiert bei Herstellern und fragt nach dem aktuellen Stand des jeweiligen Firmen-Sortiments. Weiterführende Links gibt es dort auch.
Für leckere Rezepte empfehle ich www.veganguerilla.de. Ich finde dort die Fotos immer sehr ansprechend und bekomme direkt Lust etwas nachzukochen. Das nennt man dann wohl Food Porn. Da gibt es mittlerweile aber auch tausend andere Seiten im Internet mit tollen veganen Rezeptideen.
Wer vegane Onlineshops sucht, kann ja mal bei http://alles-vegetarisch.de oder http://www.veganic.de vorbeischauen. In den Shops gibt es neben Lebensmitteln auch viele Bücher zum Thema, Klamotten oder Dinge für den Alltag.
Wer mehr über die Beweggründe des Veganismus und des Tierschutzes erfahren und aktiv etwas für und nicht gegen Tiere unternehmen möchte, dem empfehle ich die Seiten der Albert Schweitzer Stiftung albert-schweitzer-stiftung.de und von Hof Butenland http://www.stiftung-fuer-tierschutz.de.
Danke, liebe Julia, für dieses sehr interessante und persönliche Interview!